In Nord-Norwegen zu leben ist sonnen-technisch schon ziemlich extrem. Im Sommer zwei Monate in denen die Sonne nie untergeht. Im Winter zwei Monate in denen sie nicht mehr aufgeht. Die Dunkelperiode ist allerdings weniger schlimm, als ich anfänglich befürchtet hatte. Es ist nicht die ganze Zeit komplett dunkel, wie in tief-schwarzer Nacht. Die Dunkelzeit fängt in Tromsø um den 20. November an. Dann schafft es die Sonne nicht mehr über die südlich, am Straumsfjorden gelegenen Berge auf dem Festland. Das Einzige, was dann noch an die Sonne erinnert, ist ein rötlich-gelbes Licht hinter der Bergsilhouette. Je weiter man in den Dezember hineinkommt, desto weniger "Sonne hinter den Bergen" gibt es. Mitte Dezember fängt es ab 9:30 Uhr an "hell" zu werden. Zwischen 10:00 Uhr und 12:30 Uhr entsprechen die Lichtverhältnisse in etwa denen in Deutschland am selben Tag zwischen 16:00 Uhr und 17:00 Uhr. Es ist also nur dämmerig-hell. Die volle Tageshelligkeit gibt es gar nicht mehr, so lange die Sonne nicht mehr komplett über den Horizont bzw. die Berge kommt.
Ihr könnt also davon ausgehen, dass es zwischen 10:00 Uhr und 13:00 Uhr ein wenig Helligkeit gibt, so dass man von Tageslicht sprechen kann. Keine komplette Dunkelheit also. Für mich gibt es aber ein anderes Problem. Nachdem es spätestens um 14:00 Uhr in Tromsø wieder dunkel geworden ist, stellt sich meine innere Uhr auf Feierabend Laune ein. Es fühlt sich dann im Büro immer so an, als ob es gleich nach Hause geht. Man darf dann aber noch mehrere Stunden bleiben, das nervt. Ich persönlich werde auch früher müde als in den anderen 3 Jahreszeiten. Du lebst quasi von 14:00 Uhr an in Dunkelheit. Kein Wunder das es dir um 20:00 Uhr schon so vorkommt, als ob du schon sehr lange in die Nacht hinein wach bist. Ich gehe auch definitiv früher schlafen als im Sommer. Auch wenn ich gefühlt länger schlafe, kann ich nicht behaupten am nächsten Morgen voll erholt aufzuwachen. Es ist natürlich auch noch dunkel wenn der Wecker klingelt. Es fühlt sich an, als ob man mitten in der Nacht aufsteht. Der natürliche Rhythmus wird hier im Winter schon etwas durcheinander gewirbelt.
Etwas erträglicher ist die Dunkelzeit auf jeden Fall wenn Schnee gefallen ist, wovon man in Tromsø ab November eigentlich ausgehen kann. Der Schnee macht alles heller, winterlicher und schöner. Keine dunklen Straßen, die das verbleibende Licht verschlucken. In ungefähr einer Woche, um den 20. Januar herum, taucht die Sonne dann wieder über den Bergspitzen auf. Ich kann es kaum noch erwarten. In Tromsø gibt es die Tradition das die Bäckereien Mørketidsboller verkaufen, wenn die Sonne nicht mehr aufgeht. Das sind mit Schokolade überzogene Pfannkuchen (Berliner). Die dunkle Schokolade soll wahrscheinlich die kommende Dunkelheit symbolisieren. Am Tag der Sonnenrückkehr, 2012 kann man damit in Tromsø wie gesagt ab dem 20. Januar rechnen, gibt es dann Solboller. Das sind ebenfalls Pfannkuchen (Berliner), diesmal aber ohne dunklen Überzug und mit Eiercreme Füllung - lecker.
Noch ein Filmtipp. Viele von euch kennen sicherlich den amerikanischen Film "Insomnia" mit Al Pacino und Robin Williams, der in Alaska spielt. Was ich bisher nicht wusste, bei diesem Film handelt es sich um ein Remake. Das norwegische Original wurde 1997 in Tromsø gedreht. Unbedingt anschauen. Der Film handelt von der Untersuchung eines Mordes an einem 17-jährigen Mädchen und den Schlafproblemen des Ermittlers wegen der Mitternachtssonne. Jaja, jeder Tromsø Neuling hat hier so seine Probleme mit den Sonnen Verhältnissen.
Ich habe hier in Skelleftehamn (5 Grad südlicher) sowohl im Sommer als auch im Winter manchmal Probleme mit meinem Tagesrhythmus. Im Sommer habe ich schon einmal eine Fahrradtour um 23:00 begonnen, im Winter habe ich auch wenig Motivation, nach der Mittagspause weiterzuarbeiten, wenn es dann schon dunkel wird.
Ich bin gespannt, ob ich mich daran im Laufe der Jahre gewöhne.